Wandel / Veränderung vs. Fortschritt
Die Natur scheint oft perfekt und allwissend, dabei existieren zahlreiche Lebewesen, die ungewöhnliche Merkmale oder Verhaltensweisen besitzen. Schon lange fragt sich der Mensch, warum diese entstanden sind und wie die betroffene Tierart ihr Überleben sichern kann. Dem homo sapiens kann die Frage nach dem Sinn aber auch einfach unverständlich sein oder gar bleiben, da er sie nur aus seiner eigenen Sicht erfassen kann!
Langezeit glaubte der Mensch ebenso, dass die Evolution stets gnadenlos nach Perfektion strebt. Das dies nicht so ist, beweisen scheinbar schwache, nicht perfekte bzw. ungewöhnliche Organismen immer wieder aufs Neue.
der Albatros und sein gefährliches Lande- / Startproblem
Der große Seevogel bringt es auf eine Flügelspannweite von bis zu 3,5 Metern, er gehört damit definitiv zu den Giganten der Lüfte. Erstaunlicherweise verbringt er trotz seiner Masse die meiste Zeit seines Lebens in der Luft. Aus dem Grund muss die Natur wohl vergessen haben ihm Lande- / Starttechniken beizubringen, denn dabei riskiert er jedesmal einen gebrochen Flügel oder gar sein Leben.
So unbeholfen er an Land daherkommt, so grandios bewegt er sich in der Luft, denn selbst Stürme können ihn nicht vom Manövrieren abhalten. Er ist ein Meister darin Windscherungen für sich auszunutzen, um kraftsparend voranzukommen und das sogar auch gegen die Windrichtung! Dazu lässt er sich einfach in größere Höhen treiben, wo der Wind am stärksten ist und nutzt genau diesen Schwung für die eigentliche gewünschte Richtung.
Ein Albatros verbraucht bei dieser Technik nicht mehr Energie wie ein im Nest sitzender Artgenosse. Das macht ihn im Vogelreich zu etwas Besonderen, da das „dynamische Segelfliegen“ nur wenige Vögel beherrschen. Beobachtet ihn man allerdings beim Landen oder Starten, wirkt er durch den schweren Körper sehr tollpatschig. Erst bei einer Gegenwindgeschwindigkeit von mindestens 12 km / h ist der große Seevogel in der Lage vom Boden abzuheben. Dabei schnellt sein Puls vor enormer Anstrengung in gefährliche Höhen, von denen er sich sehr langsam wieder erholt.
der exlusive Appetit der Koalabären
Koalabären ernähren sich fast ausschließlich von ganz bestimmten Eukalyptusarten, derren Wachstum mit der Koalapopulation so langsam nicht mehr mithalten kann. Dies könnte fatal für die niedlichen Beuteltiere (keine Bären) enden, da sie nicht in der Lage sind, auf Ersatznahrung auszuweichen. Denn neben dem langsamen Wachstum ihrer Bäume sorgt auch der Mensch durch seine Waldrodungen oder Waldbrände für Chaos und damit lebensfremde Bedingungen.
die unpraktische Mähne der Löwenmännchen
Erwachsene Löwenmännchen sind durch ihre beeindruckende oftmals dunkelbraune Mähne sehr leicht zu erkennen. Dass diese im Alltag oft unpraktisch ist, ahnt kaum ein Mensch. Der Löwenmann bleibt nämlich mit ihr häufig im Gestrüpp hängen oder verrät sich beim Anschleichen auf ein potenzielles Beutetier viel zu schnell. Hinzu kommt noch die unerträgliche Hitze, die sich unter der Mähne bilden kann, was viele Insekten anlockt, die der Löwenmann kaum mehr los wird.
In Kenia wurden mittlerweile immer mehr Löwenmännchen beobachtet, die im Sommer auf ihre Mähne verzichten. Möglicherweise kann dies ein weiterer Evolutionssprung werden?
die lebensnotwendige Fresssucht der Spitzmäuse
Vom Menschen oft als Schädling 1)Schädling = Unwort wegen Abwertung beschimpft sind gerade die kleinen Spitzmäuse wahre Maraton-Künstler. Damit die Winzlinge nicht auskühlen, haben sie eine hohe Stoffwechselrate – ihr Herz schlägt bis zu 1.200 Mal in der Minute. Jede Aufregung kann bereits zum Tod führen. Aus diesem Grund müssen sie die verbrauchte Energie durch eine erhöhte Nahrungsaufnahme ausgleichen. Sie können sich nicht einmal einen Erholungsschlaf leisten, da der Nahrungsbedarf bei 100 bis 130% über ihren eigenen Körpergewicht liegt.
das Laufproblem der Kaiserpinguine
Obwohl Kaiserpinguine wie alle Pinguine optimal an ein Leben im Wasser angepasst sind, müssen sie viele Kilometer durch Eis und Wind maschieren, um zu ihren Brutplätzen zu gelangen. Dieses energieaufwendiges Watscheln überleben viele erwachsene Pinguine nicht. Auf dem Rückweg zum Meer sieht es noch düsterer aus, denn von den Babies überstehen höchstens 10 % den brutalen Marsch. Es ist erstaunlich, dass diese Art noch nicht ausgestorben ist!
der lebensgefährliche Appetit der Pottwale
Pottwale sind die größten Beutegreifer der Erde, mit einem Hang zum Größenwahn. Denn statt sich mit Tintenfischen und Fischschwärmen zu begnügen, die in ungefährlichen Tiefen vorkommen, legen sie sich lieber mit Riesenkalmaren an, die in bis zu 1.000 Meter Tiefe vorkommen. Pikant ist die Tatsache, dass Pottwale als Säugetiere in regelmäßigen Abständen Luftholen müssen und zusätzlich nicht zu schnell auftauchen dürfen, da sonst irreversible Gewebeschäden entstehen können. Trotzdem ziehen sie den Kampf mit den bis zu 18 Meter langen Fangarmen der Riesenkalmare vor.
die belastende Brutpflege der Ringelwühle (Amphibien)
Ringelwühle zählen zu den Schleichenlurchen und leben / legen ihre Eier ausschließlich an Land. Ihre Jungen überspringen erstaunlicherweise das Larvenstadium im Wasser und ernähren sich stattdessen voll entwickelt etwa 2 Monate von der Haut ihrer Mutter! Das wiederholen sie solange, bis sie eine Körperlänge von 15 cm erreicht haben. Dann verlassen sie endlich ihre Mutter, die sich von der extremen Brutpflege erst wieder erholen muss. Obwohl sich die Haut schnell regenerieren kann, ist ein weiblicher Ringelwühle erst nach 2 Jahren wieder fortpflanzungsbereit.
die Schwangerschaft der männlichen Seepferdchen
Ähnlich wie ein Chamäleon können Seepferdchen ihre Farbe der Umgebung anpassen und zusätzlich sogar ihre Körperform verändern, indem sie kleine Auswüchse bilden, um Seegras nachzuahmen. Paare begrüßen sich gern mit Kopfnicken und schimmen schwänzchenhaltend umher. Wirklich einzigartig ist die Tatsache, dass nur die Männchen schwanger werden können. Das Weibchen legt ihre Eier einfach in den wassergefüllten Brutbeutel ihres Partners und überlässt die Pflege der Jungtiere ausschließlich ihm!
der einzigartige Schneidezahn des Narwals
Das Horn des Narwals hat diesen auch den Spitznamen Einhornwal eingebracht. Die Bedeutung blieb den Biologen aber lange Zeit verborgen. Die Extrementwicklung des linken oberen Schneidezahns kann bis zu 3 Meter lang und 10 Kilo schwer werden. Früher glaubte man, der Zahn diene:
- zum Durchbrechen der Eisdecke
- zum Aufspießen von Fischen
- zum Durchwühlen des Meeresbodens
- zur Verteidigung
- der Echoortung
Tatsächlich befinden sich im Inneren des Stoßzahns Millionen winzige Nervenverbindungen, mit dem der Wal Veränderungen der Wassertemperatur oder des Wasserdrucks genauso gut wahrnehmen kann, wie die Konzentration chemischer Substanzen im Wasser. Das macht den Zahn zu einem effektiven Sinnesorgan um besser im Poarmeer überleben zu können.
das prachtvolle Gefieder der Paradiesvögel
Ohne ihr wunderschön auffälliges Gefieder würde es wohl kein Pradiesvogel Mann schaffen, Nachkommen zu zeugen. Andererseits mindert gerade diese Auffälligkeit ihr eigenes Überleben, da sie sich nicht besonders gut verstecken können. Biologen glauben ua., dass die Geschicklichkeit der besonders auffälligen Männchen den Weibchen glauben machen kann, gute Gene zur Verfügung zu haben. Sicher ist man sich hier aber noch lange nicht.
Fazit
Diese und noch viele weitere Fälle zeigen, dass Evolution nicht automatisch Fortschritt bedeutet, sondern Wandel bzw. Veränderung. Damit ist sie weder eine strenge Auslese nach Überlegenheit noch immer zweckmäßig. Evolution ist oft experimentierfreudig ohne dabei an Effizienz zu denken.
Bildquelle: Gerd Altmann / pixelio.de
Anmerkungen
⇡1 | Schädling = Unwort wegen Abwertung |
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ellen
8. November 2012 @ 14:12
Das ist eben die Anpassung eines jeden Organismus an seinen natürlichen Lebensraum. Holt man ihn dort raus, wirkt er schnell unbeholfen.