das Islamische Reich und die islamische Religion
die Entstehung des Islams
Der Islam entstand im 7. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel. Der Überlieferung nach erhielt der Prophet Mohammed im Jahr 610 seine erste göttliche Offenbarung durch den Erzengel Gabriel. Diese Botschaften wurden später im Koran gesammelt.
Mohammeds Lehre von einem einzigen Gott widersprach der damals verbreiteten Vielgötterverehrung. Seine Heimatstadt Mekka war ein bedeutendes religiöses und wirtschaftliches Zentrum, das vom Pilgerwesen und Karawanenhandel lebte.
Da seine Botschaft dort auf Ablehnung stieß, verließ Mohammed 622 Mekka und zog nach Medina, wo er sowohl religiöser als auch politischer Führer wurde. Von dort aus begann er mit Überfällen auf Karawanen, die nach Mekka unterwegs waren.
630 gelang ihm die Eroberung Mekkas. Ein zentrales Prinzip des Islam ist der Dschihad, der auch als aktiver Einsatz zur Verbreitung des Glaubens verstanden wurde. Noch zu Mohammeds Lebzeiten begann eine Phase der Expansion.
Ausbreitung des islamischen Reiches
Nach Mohammeds Tod 632 setzten seine Nachfolger die militärische Expansion fort. Sie eroberten große Teile des Sassanidenreichs sowie syrische und ägyptische Gebiete des Byzantinischen Reichs.
Nach einem erfolglosen Feldzug gegen Nubien dehnten sie ihre Herrschaft entlang der nordafrikanischen Mittelmeerküste aus. 698 fiel Karthago, später entstanden Städte wie Tunis und Kairouan.
711 überschritten muslimische Truppen die Meerenge nach Spanien (al-Andalus), wo sie bis 732 vordrangen, ehe sie von den Franken gestoppt wurden. Im Osten reichte das Reich bis zum Indus und nach Samarkand.
Nur acht Jahrzehnte nach Mohammeds Tod erstreckte sich das islamische Reich von Lissabon bis Zentralasien.
Spannungen und Machtwechsel
Die Größe des Reiches brachte Verwaltungsprobleme mit sich. Auch innerhalb des Islam kam es zu Streit über die Nachfolge Mohammeds.
Die Stammesbindungen der arabischen Eroberer führten in den eroberten Gebieten zu Spannungen mit den dortigen Kulturen, etwa in Syrien und Persien.
Im 8. Jahrhundert formierte sich Widerstand gegen die in Damaskus herrschende Umayyaden-Dynastie. 750 wurde sie durch die Abbasiden abgelöst, die Bagdad zur neuen Hauptstadt machten.
Während sie sich auf den Osten konzentrierten, konnte ein überlebender Umayyade in al-Andalus eine neue Herrschaft aufbauen – 756 wurde Córdoba zum Zentrum des muslimischen Spaniens. Auch in Tunesien etablierte sich mit den Aghlabiden eine eigenständige Dynastie, die 827 Sizilien eroberte.
Handel als Träger des Glaubens
Ab 750 verlagerte sich die Ausbreitung des Islam zunehmend vom Militär auf den Handel. Arabische Händler knüpften an alte Handelsrouten an, etwa im Gewürzhandel. So verbreitete sich der Islam auch in Regionen, die nie militärisch erobert wurden – etwa in Indonesien, das heute der bevölkerungsreichste muslimische Staat ist.
Mohammed selbst war Kaufmann, und arabische Seefahrer erreichten im 8. Jahrhundert sogar China, wo sie in Kanton Handel trieben. Diese Reisen inspirierten später Geschichten wie die von Sindbad dem Seefahrer. Auch der berühmte Reisende Ibn Battuta dokumentierte die Weite des islamischen Kulturraums.
Der Handel brachte Jade, Seide und Porzellan aus China, Gold, Elfenbein und versklavte Menschen aus Afrika sowie Pelze und Bernstein aus dem Norden ins islamische Reich.
Handel im westlichen Mittelmeer
Im westlichen Mittelmeerraum dauerte es länger, bis sich nach den Eroberungen neue Handelsnetzwerke entwickelten. Da es Muslimen untersagt war, dauerhaft in nicht-islamischen Ländern zu leben, übernahmen oft jüdische und christliche Kaufleute den Handel mit Europa.
Eine wichtige Rolle spielte die Handelsstadt Venedig, die durch ein Salzmonopol reich wurde und früh Beziehungen zu muslimischen Herrschern aufbaute. Dennoch behinderten Seeräuber lange Zeit den Handel.
Erst im 9. Jahrhundert kam dieser wieder in Schwung. Im 10. Jahrhundert wurde auch Amalfi, eine weitere italienische Hafenstadt, zu einem bedeutenden Knotenpunkt im Handel mit dem islamischen Raum.
Blütezeit der islamischen Kultur
Im 9. Jahrhundert entwickelte sich im islamischen Raum eine hochentwickelte Zivilisation, die in ihrer Vielfalt und Größe nur mit der chinesischen Kultur vergleichbar war. Die Stadt Córdoba wuchs auf etwa 500.000 Einwohner und wurde zur größten Stadt Europas.
In Bagdad erlebten Musik, Literatur und Wissenschaft eine Blütezeit – auch durch den Einfluss der Kulturen der eroberten Völker, etwa der Perser.
Besonders geschätzt wurde Wissen. Ein überlieferter Ausspruch Mohammeds betont: „Die Tinte eines Gelehrten ist wertvoller als das Blut eines Märtyrers.“
Im Jahr 830 gründete der Kalif al-Ma’mun in Bagdad das „Haus der Weisheit“, wo Texte aus Griechenland und Indien sowie Erkenntnisse aus Medizin, Mathematik, Naturkunde und Astronomie gesammelt und übersetzt wurden.
Der Gelehrte Avicenna verfasste 1037 den „Kanon der Medizin“, ein Werk, das über viele Jahrhunderte als Grundlage für medizinisches Wissen diente. Gleichzeitig gelangten neue Produkte wie Aprikosen, Reis und Zucker nach Europa, und die Baukunst sowie die Lebensweise erreichten neue Höhen.
Ein bedeutender technischer Fortschritt war die Papierherstellung, die 751 durch chinesische Händler bei Samarkand bekannt wurde – ein Wissen, das die Entwicklung Europas nachhaltig beeinflusste.
Politischer Zerfall und neue Dynastien
Während sich der islamische Glaube weiter verbreitete, begann die weltliche Macht der arabischen Herrscher im 10. Jahrhundert zu schwinden.
Die Fatimiden, deren erster Kalif seine Abstammung auf Fatima, die Tochter Mohammeds, zurückführte, verdrängten 909 die Aghlabiden in Nordafrika. Sie eroberten 969 Ägypten und 979 Mekka und Medina. Ihre Hauptstadt wurde Kairo.
Das Kalifat von Córdoba zerfiel 1031 in mehrere kleinere Reiche. Gleichzeitig erstarkten die christlichen Königreiche im Norden Spaniens, was zur „Reconquista“ führte – der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel.
Erste Erfolge waren die Invasion Siziliens (1061) durch die Normannen und die Eroberung Toledos (1085). Die Kämpfe dauerten über 400 Jahre und endeten 1492 mit der Kapitulation von Granada, der letzten muslimischen Bastion in Europa.
Weitere Bedrohungen und Machtwechsel
Auch außerhalb Europas nutzten andere Mächte die Schwäche des islamischen Reiches. Das Gebiet des ehemaligen Sassanidenreichs wurde 1055 von den Seldschuken erobert und 1258 von den Mongolen, was das Ende des Kalifats bedeutete.
Die verbleibenden islamischen Gebiete – vor allem Ägypten und Syrien – wurden ab dem späten 11. Jahrhundert durch die Kreuzzüge bedroht. Das Fatimiden-Kalifat in Kairo wurde 1171 von den Zengiden gestürzt, die zuvor um militärische Unterstützung gegen die Kreuzfahrer gebeten hatten.
Die Zengiden begründeten die Ayyubiden-Dynastie, die wiederum 1250 nach einem Angriff des Sechsten Kreuzzugs von den Mamluken abgelöst wurde.
Die Mamluken, ursprünglich Militärsklaven, hatten sich zu mächtigen Heerführern entwickelt. Ihr Reich in Ägypten und Syrien konnte sich 1260 erfolgreich gegen die Mongolen verteidigen und wurde damit zum wichtigsten verbliebenen Teil des arabischen Herrschaftsgebiets.