Europas Aufstieg
Machtverhältnisse im Westen
Im Westen nutzten die Westgoten und die Franken die Schwäche Ostroms:
- Die Westgoten eroberten fast ganz Spanien und Teile Galliens
- Chlodwig I. aus dem Haus der Merowinger vereinte die fränkischen Kleinkönige und besiegte Syagrius, den letzten römischen Herrscher in Gallien
507 kam es zur Schlacht bei Poitiers zwischen Franken und Westgoten. Die Westgoten verloren große Teile Galliens und verlegten ihre Hauptstadt nach Toledo. Theoderich sicherte sich die Provence, die Franken dehnten sich bis zum Rhein aus.
Rückeroberung durch Byzanz und neue Mächte
Kaiser Justinian strebte ab 534 die Wiederherstellung der römischen Vorherrschaft an:
- Vernichtung des Vandalenreichs
- Krieg gegen die Ostgoten, die 552 unterlagen
Doch die Kräfte reichten nicht aus, um die Einheit zu sichern. Ab 568 besetzten die Langobarden Italien – die Völkerwanderung endete. Die Westgoten setzten ihre Expansion fort, die Franken drangen unter Chlodwigs Söhnen bis nach Thüringen, Bayern, Burgund und die Alpen vor.
Im 7. Jahrhundert verloren die Merowinger an Einfluss, die Macht lag bei den Hausmeiern. Karl Martell stoppte 732 bei Tours die arabische Expansion – mit Hilfe von europäischen Schlachtrössern, die den leichteren Pferden der Araber und Mongolen überlegen waren.
Aufstieg der Karolinger
751 wurde Pippin der Jüngere, Sohn Karl Martells, fränkischer König – die Karolinger lösten die Merowinger ab. Unter Karl dem Großen erreichte das Reich seine größte Ausdehnung:
- 774 Eroberung des Langobardenreichs
- Nach seinem Tod zerfiel das Reich in Fürstentümer
- Der westliche Teil wurde zu Frankreich, im Osten begann 936 mit Otto I. die deutsche Geschichte
Das spätere „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ sah sich als Nachfolger Roms.
Feudalismus und Kirche
Karl der Große führte das Lehenswesen ein:
- Vasallen erhielten Land und lebten von den Abgaben der Bauern
- Bauern mussten Frondienste leisten
- Die Lehnsherren stellten als Ritter die militärische Macht
Die römisch-katholische Kirche wurde zum zentralen Bindeglied des Reichs:
- Chlodwig I. ließ sich 498 katholisch taufen
- Karl der Große organisierte die Kirche mit Bischöfen und Metropoliten
- Der Papst in Rom hatte besondere Autorität
- Der Bischof von Konstantinopel forderte ebenfalls Vorrang – 1054 kam es zur Kirchenspaltung
Mittelalterliche Warmzeit und Bevölkerungswachstum
Ab Mitte des 10. Jahrhunderts stiegen die Temperaturen:
- Weniger Ernteausfälle, mehr nutzbare Fläche
- Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Sümpfen
- Einsatz neuer Techniken: chinesische Streichbretter, das Kumt, eiserne Werkzeuge
Die Bevölkerung Europas wuchs von 35 Millionen (1100) auf über 70 Millionen (1300). Mit dem Wohlstand wuchs die Bedeutung des Handels:
- In Italien entstanden autonome Handelsstädte wie Genua, Pisa und Venedig
- Diese handelten mit Nordeuropa, Byzanz und dem islamischen Reich
- Viele Christen konnten sich nun Pilgerreisen leisten. Sie reisten ins Heilige Land, was früher nur wenigen möglich war.
Osteuropa
Besiedlung durch die Slawen
Nach dem Rückzug der Germanen während der Völkerwanderung wurden die Gebiete im östlichen Mitteleuropa und auf dem Balkan ab dem 6. Jahrhundert von den Slawen besiedelt. Dieses Bauernvolk hatte seinen Ursprung vermutlich im Raum zwischen Bug und oberem Dnjepr.
Die Steppengebiete konnten sie nicht dauerhaft kontrollieren, da dort Reitervölker herrschten. Ab 660 mussten sie den Chasaren, die die Pontische Steppe beherrschten, Tribut zahlen.
Im Norden trafen die Slawen auf finnische und baltische Völker. Durch deren Einfluss bildeten sich drei große Gruppen:
- Ostslawen
- Westslawen
- Südslawen
Die Waräger und die Kiewer Rus’
Mitte des 9. Jahrhunderts gründeten die Waräger unter Fürst Rjurik nahe dem heutigen Nowgorod eine Siedlung. Sie übernahmen die Herrschaft über die dort lebenden ostslawischen Stämme.
Nach Rjuriks Tod übernahm Oleg „der Weise“ die Führung. Um den Handelsweg nach Byzanz zu sichern, eroberte er 882 die Stadt Kiew und gründete dort die Kiewer Rus’ – ein Reich, das sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstreckte.
Ein erfolgreicher Feldzug gegen Byzanz brachte Oleg Handelsprivilegien mit dem Oströmischen Reich. Durch den Fernhandel mit Byzanz gelangte die Kiewer Rus’ rasch zu großem Wohlstand und wurde zu einem der wichtigsten Herrschaftsverbände Europas im Mittelalter.
Christianisierung und internationale Beziehungen
Der Kontakt mit Byzanz führte zur Christianisierung der Kiewer Rus’. Unter Wolodimer „dem Heiligen“ trat das Reich 988 zum orthodoxen Christentum über. Als Zeichen der Anerkennung erhielt Wolodimer die byzantinische Prinzessin Anna, Schwester von Kaiser Basileios II., zur Frau – ein großes diplomatisches Privileg.
Die Kiewer Rus’ gewann dadurch hohes internationales Ansehen. Später heirateten auch der römisch-deutsche Kaiser Heinrich IV. und der französische König Heinrich I. Prinzessinnen aus der Rus’, was die Verbindungen nach Westeuropa weiter festigte.
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