Naki Sumo – japanische Tradition für weinende Babies
Japan, immer zwischen Hightech und Tradition, das Land der uralten Rituale, die selbst vielen Japan-Kennern unbekannt sind.
Einer dieser bemerkenswertesten Bräuche ist das sogenannte Naki Sumo – eine Zeremonie, bei der Babys bewusst zum Weinen gebracht werden. Was zunächst ungewöhnlich oder gar befremdlich klingen mag, ist in Wahrheit ein liebevoller und tief verwurzelter Ritus, der seit Jahrhunderten gefeiert wird.
Ziel ist es nicht, das Kind zu quälen, sondern ihm Glück, Gesundheit und Schutz mit auf den Lebensweg zu geben. Das Wort „Naki“ bedeutet „weinen“ und „Sumo“ bezieht sich natürlich auf den traditionellen japanischen Ringkampf.
Aber bei Naki Sumo stehen keine muskulösen Kämpfer im Zentrum, sondern kleine Babys, meist im Alter von wenigen Monaten bis zu einem Jahr. Bei der Zeremonie, die unter anderem im berühmten Senso-ji-Tempel in Tokio oder auch in ländlicheren Gegenden (Wakayama oder Tochigi) stattfindet, treten zwei Sumo-Ringer gegeneinander an – allerdings nicht im Kampf, sondern mit jeweils einem Baby auf dem Arm.
Die Aufgabe der Ringer besteht darin, das Baby zum Weinen zu bringen, möglichst laut und möglichst ausdauernd.
Warum sollte ein Baby weinen, um Gutes zu bringen?
Hier greifen alte japanische Vorstellungen, tief verwurzelt im Shintoismus und Buddhismus. In Japan glaubt man:
Naku ko wa sodatsu“ – „Ein weinendes Kind wächst gut heran.
Der Schrei des Babys wird als Zeichen von Lebenskraft angesehen, und das Weinen soll böse Geister vertreiben und die Götter dazu bewegen, dem Kind ein langes und gesundes Leben zu schenken. Der Schrei wird zu einem Symbol der Hoffnung und der Schutzbitte – eine Art Talisman.
Wie werden die Babies zum Weinen gebracht?
Während des Rituals schreien nicht alle Babys automatisch. Manche sind neugierig oder ruhig. Dann kommen die Ringer zum Einsatz:
- mit leichten Bewegungen
- lauten Rufen oder
- Grimassen
versuchen sie, das Kind zu animieren. Wichtig: Das Weinen wird nie durch Zwang oder Schmerz hervorgerufen – vielmehr geht es darum, dem Kind auf symbolische Weise Kraft und Schutz zu verleihen. Ein Priester begleitet die Zeremonie mit Gebeten und Ritualen, um das spirituelle Wohl des Kindes zu sichern.
Die Eltern, meist in traditioneller Kleidung, stehen lächelnd oder stolz daneben und nehmen das Ganze mit Humor und Ehrfurcht. Auch wenn es auf Außenstehende skurril wirken mag – in Japan ist Naki Sumo als liebevolle Tradition.
Die Veranstaltung hat oft eine fröhliche, fast festliche Atmosphäre, mit Besuchern, Fotografen und ganzen Familien. Für viele japanische Eltern ist es ein bedeutender Moment im Leben ihres Kindes, vergleichbar mit der Taufe in christlichen Kulturen oder dem Schutzamulett bei der Geburt.
Text: @Infokomposter Bluesky – Bildquelle: ymyphoto / pixabay