die Strandkrabbe (Parasit übernimmt Kontrolle)
Die Strandkrabbe (Carcinus maenas) wird häufig vom parasitären Rankenfußkrebs (Sacculina carcini) als Wirt benutzt. Der Krebs gehört zur Ordnung der Rhizocephala, einer hochspezialisierten Gruppe parasitärer Rankenfußkrebse.
Merkmale Strandkrabbe
- sehr häufige Krabbenart an gemäßigten und subtropischen Küsten
- durch den Menschen fast weltweit verbreitet (Neozoa)
- ein anpassungsfähiger Allesfresser
- typische äußeren Merkmale einer Krabbe
- harten Panzer
- durchschnittlicher Durchmesser 60 mm
- gestielten Facettenaugen
- meist in dunklen Grüntöne gefärbt
- kräftig ausgebildetes erstes Laufbeinpaar (unterschiedlich große Scheren werden „Knackschere“ genannt)
- Antennenpaare zur Geruchswahrnehmung sehr kurz
Merkmale Rankenfußkrebs
- Nahrungsversorgung erfolgt über ein wurzelartiges Geflecht, das der Parasit im Inneren des Wirtstieres ausbildet
- erwachsene Fußkrebse zeigen keine Ähnlichkeit mehr mit anderen Rankenfüßern (Seepocken, etc.)
- weibliche Sacculina-Larve versucht sich in eine Mulde des Krabbenpanzers einzunisten
- weibliche Sacculina-Larve wächst im Inneren der Krabbe heran und bildet einen externen Brutsack
- weibliche Sacculina-Larve verhindert bei männlichen Krabben das Wachstum und die Scherenbildung
- männliche Sacculina-Larve befruchtet die Eier im Brutsack auf der Unterseite der Krabbe
Was diesen Parasiten so faszinierend macht ist seine perfide Eleganz bei der Manipulation seines Wirts. Der Lebenszyklus beginnt ganz harmlos:
1. Phase: Larven suchen geeigneten Wirt
Winzige Cypris-Larven, die frei im Meer schwimmen, suchen nach einer geeigneten Krabbe. Haben sie eine gefunden, verwandelt sich die weibliche Larve in einen biologischen Albtraum – sie wirft ihren gesamten Körper ab und reduziert sich auf eine mikroskopisch kleine Zellmasse, die durch die dünnen Gelenkhäute der Krabbe eindringt.
Phase 2: Zellen entwickeln sich zu pilzartigen Geflecht
Was nun folgt, ist eine der raffiniertesten Strategien im gesamten Tierreich. Die eingedrungenen Zellen entwickeln sich zu einem pilzartigen Geflecht aus Hyphen, die sich durch den gesamten Körper der Krabbe ausbreiten.
Dieses Netzwerk umhüllt und durchdringt jedes Organ – vom Verdauungssystem bis zum Nervensystem. Die Krabbe wird buchstäblich von innen ausgehöhlt und durch den Parasiten ersetzt, ohne dass sie stirbt. Sie funktioniert weiterhin, aber sie gehört nicht mehr sich selbst.
Phase 3: hormonelle Manipulation des Wirts
Nun beginnt die hormonelle Manipulation des Wirts. Der Parasit produziert Substanzen, die die Geschlechtshormone der Krabbe durcheinanderbringen. Männliche Krabben werden chemisch kastriert – ihre Gonaden degenerieren.
Durch den Einfluss des Parasiten entwickeln männliche Krabben weibliche Verhaltensweisen: Sie graben Brutnischen wie Weibchen, ihr Hinterleib verbreitert sich, und sie entwickeln sogar die charakteristischen Borsten, mit denen Weibchen normalerweise ihre Eier pflegen.
Phase 4: Parasit bricht nach Außen durch
Nach etwa einem Jahr der inneren Kolonisation bricht der Parasit nach außen durch – als Externa, ein sackartiges Gebilde am Hinterleib der Krabbe. Für die manipulierte Krabbe sieht diese Struktur aus wie ein Eigelege.
Sie behandelt den Parasiten-Sack wie ihre eigenen Eier: putzt ihn, belüftet ihn und trägt ihn mit sich herum. Weibliche Krabben, die bereits Eier tragen, werden durch Sacculina dazu gebracht, ihre eigenen Eier zu vernachlässigen oder sogar zu fressen, um die Parasiten-Brut zu versorgen.
Endphase – Krabbe ohne eigene Bedürfnisse
Sacculina carcini hat eine evolutionäre Nische erobert, die an Perfektion grenzt. Der Parasit hält seinen Wirt am Leben – eine tote Krabbe wäre nutzlos.
Gleichzeitig eliminiert er jede Konkurrenz um Ressourcen, indem er die Fortpflanzung des Wirts unterbindet. Es ist schlicht perfekt: Eine kastrierte Krabbe muss keine Energie in die unnötige Produktion von Geschlechtszellen investieren. Diese Energie fließt stattdessen in das Wachstum und die Pflege des Parasiten.
Studien zeigen, dass befallene Krabben oft sogar größer werden als ihre gesunden Artgenossen.
Quellen:
de.wikipedia.org/wiki/Sackkrebse
de.wikipedia.org/wiki/Gemeine_Strandkrabbe
Text: @Infokomposter & @Anouk / Bluesky – Bildquelle: Marco Schlüter / Pixelio