die Weiterentwicklung der Staaten (Aufstieg von Religionen und Ländern)
Die Verbreitung der Religionen zeigt, wie eng Europa, Asien und Nordafrika bereits in den ersten tausend Jahren nach der Zeitenwende miteinander verbunden waren. Auch wenn es manchmal Jahrhunderte dauerte, bis eine Idee von einer Region zur anderen gelangte, war der kulturelle Austausch durch Handel deutlich spürbar. Das Christentum verbreitete sich unter anderem durch das jüdische Handelsnetz, während der Islam ebenfalls stark durch Händler weitergetragen wurde.
Gleichzeitig wird sichtbar, welche Regionen vom Austausch ausgeschlossen blieben: Die Religionen gelangten nicht in den Süden Afrikas, nicht nach Australien, Neuguinea oder Amerika – diese Gebiete blieben lange vom religiösen Wandel unberührt.
Ein beeindruckendes Bauwerk dieser Zeit ist der Tempel Angkor Wat, der in nur 37 Jahren mit Hilfe von 120.000 Arbeitern und 60.000 Arbeitselefanten errichtet wurde. Die französische Forschungsorganisation EFEO leitet heute die Ausgrabungen im ehemaligen Khmer-Reich und den Wiederaufbau des Baphuon-Tempels.
Ein weiteres Beispiel für den Austausch zwischen Kulturen ist die Teestraße nach Tibet. Der Teeanbau begann vermutlich in Sichuan und Yunnan, und Tee wurde zu einem wertvollen Handelsgut, besonders in den buddhistischen Klöstern Tibets. Tibet wiederum besaß Pferde, die China dringend zur Verteidigung gegen Reitervölker benötigte. Ab dem 7. Jahrhundert entstanden daher Handelsrouten, über die im 13. Jahrhundert jährlich bis zu 25.000 Pferde gegen Tee getauscht wurden. Ab dem 18. Jahrhundert verlor das Pferd an Wert, und China begann stattdessen traditionelle Medizin aus Tibet zu importieren – ein Handel, der bis heute besteht.
Die Ghuriden stammten aus der Region Ghor im heutigen Afghanistan. Ihre Eroberung Nordindiens wurde von Muizz ad-Din Muhammad angeführt und hatte großen Einfluss auf die spätere Entwicklung der Region.
Ein bedeutender archäologischer Fund gelang 1987 in Peru: Der sogenannte „Señor von Sipán“, ein Fürst der Moche-Kultur, wurde am Fuß einer Lehmpyramide mit kostbaren Grabbeigaben entdeckt. Dieser Fund zählt zu den wichtigsten Entdeckungen Südamerikas.
Die Wikinger gehörten überwiegend zu nordischen Völkern, die nordgermanische Sprachen sprachen. Diese hatten sich seit der Zeitenwende von den westgermanischen Sprachen abgespalten. Viele Wikingervölker hatten daher gemeinsame sprachliche Wurzeln mit den Germanen, auch wenn nicht alle direkt verwandt waren.
Ein eindrucksvolles Beispiel für den globalen Austausch im Mittelalter sind die Reisen des Ibn Battuta, eines berberischen Gelehrten aus Tanger in Marokko. Zwischen 1325 und 1348 bereiste er die gesamte islamische Welt: von der arabischen Halbinsel über die Ostküste Afrikas bis nach Tansania, durch das Gebiet der Goldenen Horde, das Sultanat von Delhi (wo er als Richter tätig war und sogar ein eigenes Harem hatte), bis nach China. Auf dem Weg dorthin blieb er zwei Jahre auf den Malediven, und sein Schiff strandete, bevor er China im zweiten Anlauf erreichte. Insgesamt legte er etwa 130.000 Kilometer zurück und schrieb nach seiner Rückkehr das Buch „Rihla“, eine der genauesten Reisebeschreibungen der damaligen Welt.
Im Laufe der Geschichte entwickelten sich in Europa die heute gesprochenen Sprachen aus verschiedenen Wurzeln. Die Franken und Westgoten übernahmen den lateinischen Dialekt ihrer Regionen, woraus sich später Französisch und Spanisch entwickelten. Im Norden Europas entstanden aus den germanischen Sprachen das Deutsche, Englische, Holländische und Schwedische. Im Osten, wohin slawische Völker vordrangen, bildeten sich die slawischen Sprachen wie Polnisch, Russisch, Serbokroatisch, Tschechisch und Ukrainisch heraus.
Alle diese Sprachgruppen gehören zur Familie der indoeuropäischen Sprachen, die ihren Ursprung in den Steppen Westasiens haben.
Eine bedeutende technische Erfindung stammt aus China: Um das Jahr 1041 entwickelte Bi Sheng den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Allerdings konnte sich diese Technik dort nicht gegen die Holzschnittmethode durchsetzen, da die chinesische Schrift mit ihren vielen Zeichen schwerer anzupassen war.
Die Erfindung des Kapitalismus
Die ersten Ansätze des Kapitalismus lassen sich bereits um das Jahr 660 im Fernhandel zwischen China und dem Römischen Reich erkennen. Händler strebten zwar nach Gewinn, doch eher für ein gutes Leben als zur Kapitalvermehrung. Im arabischen Großreich wurde ab dem 8. Jahrhundert Kapital gezielt eingesetzt – etwa durch Geldverleih mit Gewinn, trotz des Zinsverbots im Koran, das durch kreative Umgehungen ausgehebelt wurde.
Auch in China, besonders unter der Song-Dynastie, brachten gewinnorientierte Kaufleute erheblichen Wohlstand hervor. Sie betrieben eigene Werkstätten und beschäftigten Lohnarbeiter – ein früher Schritt in Richtung kapitalistischer Produktion.
In Europa gewann der Handel erst mit den Kreuzzügen an Bedeutung. Zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert entstanden in Norditalien (z. B. Venedig, Pisa, Florenz) und Süddeutschland (Nürnberg, Augsburg) wichtige Neuerungen:
- Das Unternehmen als eigene Rechtsperson, deren Partner Gewinne teilten
- Die Einführung der beschränkten Haftung im 15. Jahrhundert
- Die doppelte Buchführung und der bargeldlose Geldtransfer
- Die Ausweitung der Kapitalnutzung auf Bankgeschäfte, Kreditvergabe und Geldwechsel
- Investitionen in Warenproduktion, etwa in der Wollindustrie in Florenz und den Niederlanden
Dieser sogenannte Kaufmannskapitalismus blieb jedoch eine Randerscheinung, da die mittelalterliche Gesellschaft überwiegend von Selbstversorgung und Tauschhandel geprägt war.
Seefahrt und Navigation
- Die Galeere war ein Ruderboot mit zusätzlichem Segel.
- Die Karacke war ein großes Segelschiff mit viereckigem und dreieckigem Segel, ähnlich der Karavelle.
- Portolankarten mit Windrosennetzen halfen bei der Kursbestimmung mit dem Kompass.
- Das Astrolabium diente zur Messung der Gestirnshöhe und zur Bestimmung des Breitengrads.
Das umstrittene Erbe der Kiewer Rus‘
Lange galt die Kiewer Rus‘ als erster russischer Staat. Doch mit dem ukrainischen Nationalismus im 19. Jahrhundert wurde diese Sichtweise hinterfragt. In der Sowjetunion wurde die Rus‘ als gemeinsame Wiege der Russen, Ukrainer und Belarussen dargestellt – eine Sichtweise, die auch viele westliche Historiker übernahmen.
In der Praxis wurde sie jedoch weiterhin als russisches Erbe behandelt, etwa bei der Tausendjahrfeier 1988, die nicht in Kiew, sondern in Moskau stattfand.
Heute vertreten russische Nationalisten erneut den Anspruch, die Kiewer Rus‘ gehöre exklusiv zu Russland. Historisch ist das nicht haltbar, da es zur damaligen Zeit noch keine getrennten ostslawischen Völker gab. Die Historikerin Kerstin Jobst vergleicht diesen Streit mit der Frage, ob Karl der Große ein Deutscher oder Franzose war – eine anachronistische Sichtweise.
Leider zählt in der Geschichte oft nicht, wer recht hat, sondern wer Macht besitzt: So berief sich Wladimir Putin 2021 auf diese nationalistische Sicht – ein Argument, das er zur Rechtfertigung des Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 nutzte.