menschliches Entscheidungsverhalten
Auch wenn sich viele Menschen auch schon in der Vergangenheit immer wieder gefragt haben, ob ihr Denken und Handeln selbstbestimmt oder fremdgesteuert wird – als Ergebnis lassen sie oft nur die Selbstbestimmung zu.
Im Fall eines gefühlten Kontrollverlustes müssen Begriffe wie „Schicksal“ oder „göttliche Fügung“ herhalten. Auch dann, wenn man ansonsten gar nicht gläubig ist. Viele Religionen bauen auf genau diese unbeschreiblichen Situationen auf, sei es das Karma im Buddhismus oder das Inschallah des Islams.
Wissenschaft und Religion müssen aber nicht als erbitterte Feinde gegeneinander arbeiten, denn man könnte die menschlichen Gene unter Umständen auch zum Werk Gottes erklären, wenn man auf seine Religion bestehen möchte. Dies funktioniert aber nur bei bereits vergangenen bedeutsamen Geschehnissen oder Situationen, nicht aber bei konkret anstehenden Entscheidungen im Alltag!
Kopf- oder Bauchentscheidungen im Alltag
Für alltägliche Entscheidungen haben sich im allgemeinen Sprachgebrauch die Worte „Kopf“ oder „Bauch“ durchgesetzt.
- Bauchentscheidungen = spontan, impulsiv, ohne rationale Gründe / Fakten
- Kopfentscheidungen = Bewertung der Handlungsalternativen, Entscheidung an logische, objektive Gründe geknüpft
Logischerweise finden Prozesse, die als Bauchentscheidungen beschrieben werden auch im zentralen Nervensystem statt, was ihre Beschreibung eigentlich als Unsinn deklariert.
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das Iowa Gambling Task (IGT) Verfahren
Versuchspersonen müssen aus 4 verschiedenen Spielkarten-Stapeln 100 Karten nach eigener Wahl ziehen. Die Karten zeigen jeweils einen Gewinn- oder Verlustbetrag, der mit ihrem Startguthaben verrechnet wird. Jeweils:
- schlechte Decks = zwei der Kartenstapel führen zu hohen Gewinnen aber auch zu starken Verlusten, die in ihrer Summe die Gewinne auch übertreffen
- gute Decks = zwei der Kartenstapel führen nur zu kleinen Gewinnen aber auch nur zu geringen Verlusten
Den Versuchspersonen ist dabei nicht bekannt, welche der Kartenstapel zu den guten oder zu den schlechten Decks zählen. Zusätzlich können sie vor jedem Kartenzug bestimmen, ob sie einen Verlust oder ein Gewinn erwarten und darauf ebenfalls noch Geld setzen.
Ergebnis:
Gesunde Menschen entscheiden sich vorwiegend für die guten Decks und gehen mit einem kleinen Gewinn nach Hause. Drogenabhängige verlassen das Experiment meistens mit hohen Verlusten.
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die Persönlichkeits-Psychologie
In der Persönlichkeits-Psychologie versuchen Wissenschaftler Einflüsse der Umwelt und die genetische Ausstattung eines Menschen so korrekt wie möglich zu bestimmen, um ihre jeweilige Bedeutung zu ermitteln. Francis Galton (1822-1911), ein Halbcousin Darwins gilt als Begründer dieser Untersuchungen.
Mittlerweile sind sich die meisten Wissenschaftler einig, dass die Intelligenz eines Menschen zu etwa 50 % von den Genen und 50 % von der Umwelt abhängig ist. Menschliches Verhalten kann aber bereits durch wenige Genvariationen stark variieren und beinhaltet jeweils drei grundlegende Komponenten:
- Motivation = Bauchentscheidungen
- Emotion = Bauchentscheidungen
- Kognition = Kopfentscheidungen
Alle Entscheidungen die der Kognition zugeordnet werden betreffen den präfrontalen Kortex des menschlichen Gehirns, der als entwicklungsgeschichtlich jüngster Teil des Gehirns gilt. Motivation und Emotion werden von den subkortikalen Hirnarealen gesteuert, jener Bereich, der entwicklungsgeschichtlich zu den sehr alten Teilen des Gehirns zählen.
Zusätzlich sind auch soziale Aspekte am menschlichen Entscheidungsverhalten beteiligt, die zum Teil auch mal uneigennützig / zum Wohl eines Einzelnen oder einer Gesellschaft handeln (prosoziales Verhalten). Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Spezie Mensch ohne den Willen zur uneigennützigen Kooperation mit Anderen in der Evolution längst nicht so große Erfolge gehabt hätte.
Ist prosoziales Verhalten angeboren oder erlernt?
Studien darüber lieferten sehr uneinheitliche Ergebnisse und sind sehr schwer durchzuführen, auch weil es oft nur möglich war, dass sich Versuchspersonen selbst einschätzen sollten. Das große Problem dabei – Teilnehmer können sich prosozialer beurteilen, als sie es tatsächlich sind, um einer sogenannten sozialen Erwünschheit gerecht zu werden.
Merkmale prosozialen Verhaltens:
- Altruismus
- Vertrauen
Aus diesem Grund versucht man auch dem Altruismus selbst genetisch auf den Grund zu gehen. Man möchte also herausfinden, wie es zur Bereitschaft kommt, sich selbstlos um andere Menschen zu kümmern und dabei sogar Mühen und Kosten auf sich zu nehmen, die nicht dem persönlichen Nutzen dienen.
Viele Forscher halten diese These für so unrealistisch, dass sie der Überzeugung sind den Eigennutzen dieser Personen nur nicht zu durchschauen – „reines selbstloses Handeln“ gibt es für sie nicht. Ungeachtet dessen existieren logischerweise große individuelle Unterschiede. So fällt beispielsweise die Höhe einer Geldspende genauso unterschiedlich aus, wie die Entscheidung ob man überhaupt etwas spenden möchte und an wen diese Gefälligkeit geht.
Neben dem Altruismus ist Vertrauen ein wichtiges Merkmal prosozialen Verhaltens, was die Voraussetzung für ein glückliches Zusammenleben in Zweierbeziehungen oder die erfolgreiche Kooperation in Gruppen verantwortlich ist.
Die maßgeblichen Gene sind allerdings nicht nur im Menschen zu finden.Beispielsweise besitzen Prärie- und Wiesenwühlmäuse ebenfalls genau die Gene, die prosoziales Verhalten entscheidend beeinflussen.
Fazit:
Genvariationen können beim Menschen (und einigen anderen Säugetieren) das Entscheidungsverhalten stark beeinflussen. Es ist aber nicht möglich anhand einzelner Gene Entscheidungen exakt vorherzusagen, da auch immer die Umwelt eine mehr oder weniger große Rolle spielt.
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[tab title=“5-HTTLPR“]
der 5-HTTLPR-Polymorphismus
Der Begriff steht für einen Teil eines Gens, was für den Rück-Transport von Serotonin verantworltlich ist. Einigen Menschen fehlen hier Bestandteile, sodass sie weniger Serotonin-Transporter zur Verfügung haben.
Serotonin ist im zentralen Nervensystem für:
- die Stimmung
- das Sexualverhalten
- den Schmerz
- den Appetit
- den Schlaf- Wachrhytmus
- die Temperaturregulierung
zuständig. So ist es auch zu erklären, dass gerade bei neurotischen Menschen der Serotion-Abbau stark eingeschränkt ist – die Folgen sind übermäßige Ängstlichkeit, Unsicherheit und Depressivität.
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[tab title=“COMPT“]
der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) – Val158Met-Polymorphismus
Dieses Enzym ist für den Abbau von Dopamin zuständig. Auch hierbei werden verschiedene Verhaltensmerkmale beeinflusst.
Bei einigen Menschen ist an einer Stelle ein Teil des Gens vertauscht, was spürbare Verhaltensunterschiede hervorruft.
- beide Teile des Gens unverändert = Dopamin wird schnell abgebaut
- beide Teile des Gens vertauscht = Dopamin wird langsam abgebaut
- jeweils ein Teil des Gens unverändert und vertauscht = Dopamin wird mittelmäßig abgebaut
Dopamin ist für eine positive Emotionalität mitverantwortlich. Wird es nicht richtig abgebaut neigen Menschen zu vermehrt negativen Gefühlen.
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[tab title=“OXTR“]
der Oxytocin-Rezeptor (OXTR)
Hormone wie Oxytoxin und Vasopression beeinflussen ebenfalls das prosoziale Verhalten eines hochsozialen Lebewesens wie dem Menschen. Variationen führen auch hier zu unterschiedlichen Vertrauensbildern. Sind die Hormone nur gering vorhanden ist beim betroffenen Menschen nur ein geringes Vertrauen zu vermuten.
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Bildquelle: Klaus Steves / pixelio.de